A B O R I G I N E S

Die Ureinwohner Australiens

Die Aborigines leben seit ca. 40.000 Jahren in Australien. Sie wanderten vermutlich im späten Pleistozän über die Nordküste ein. Man zählt sie zu den ältesten kulturellen Gruppen der Welt.

Als Captain Cook 1770 im Hafen von Sydney die brit. Flagge hisste, lebten ca. 300.000 Aborigines in Australien, 170 Jahre später waren es nur mehr ca. 40 000. Heute sind es wieder ungefähr 300.000.

Diese Ureinwohner waren Nomaden die ein sehr einfaches, den natürlichen Gegebenheiten hervorragend angepasstes Leben führten. Es gab ca. 500 Stämme und ebenso viele Sprachen. Sie kamen (und kommen zum Teil auch heute noch) mit sehr wenigen Geräten aus. So genügte für den Mann ein Speer und ein Bumerang, für die Frau eine Holzschale (Coolamun) und ein Grabstock. Die Aufgabe des Mannes war die Jagd während die Frau Früchte usw. sammelte (über 100 Pflanzen wurden z. B. in der Medizin verwendet). Der Anbau von Pflanzen und die Viehzucht waren unbekannt. Als Haustier hatten sie den Dingo.

Da sie keine Gefäße kannten, konnten sie kein Wasser kochen. Das Fleisch wurde daher entweder in heißer Asche geröstet oder im Erdofen gebraten.

Es herrschte (herrscht) ein auffallender Gegensatz zwischen der äußerst komplizierten und verschiedenartigen soziologischen Gliederung, der reichen religiösen Vorstellungswelt und der Uniformität auf dem wirtschaftlichen Gebiet. So gab (gibt) es eine verwirrende Menge von Vorschriften, die die Ehemöglichkeiten regelten und einschränkten. Der Mann musste (muss) sich z. B. ein Mädchen aus der Heiratsklasse wählen, die zu seiner Totemgruppe passte, wenn er nicht Konflikte mit dem Stamm riskieren wollte. Da die Frau als unentbehrliche Arbeitskraft gesehen wurde (wird?) war eine Ehe meist nur möglich, wenn eine Schwester im Tauschwege diese Frau ersetzen konnte. Um zu überleben, war auch eine strenge Geburtenkontrolle notwendig.

Es gab unter den Stämmen keine Kriege, die Aborigines waren (und sind auch heute noch) ein äußerst friedliebendes Volk. Bei den Wanderungen hatte jeder Clan ganz bestimmte Routen. Kam es trotzdem zu Streitigkeiten so entschied der Rat der Ältesten.

Die Religion ist (war?) für den Eingeborenen eine lebendige Kosmologie. Aus zahlreichen Kultstätten und heiligen Plätzen schöpfen sie neue Kräfte. Hier können sie auch mit ihren Ahnen in Kontakt treten (z.B. mit der Tjurunga). Solch ein heiliger Platz ist für alle Ureinwohner der Ayers Rock oder Uluru = Zwiesprache mit den Traumgeistern. Diese Plätze wurden auch für die Initiationsriten aufgesucht.

Sehr interessant ist die Einstellung des Aborigines zum Land. Es ist der Mittelpunkt seines Universums. Wird es ihm weggenommen, hat das seine Entwurzelung zur Folge, denn der Ureinwohner fühlt sich nur als Treuhänder der Urzeitwesen. In deren Auftrag muss er das Land für die kommende Generation behüten. Das Land gehört nicht ihnen, sondern sie gehören zum Land!!!

Die Aborigines kannten keine Besitzbegriffe für Anbaupflanzen und Zuchttiere. Da sie weite Gebiete durchwandern mussten um ihren Lebensunterhalt spärlich zu decken, waren die Anbaupflanzen und Schafherden der Weißen natürlich eine willkommene Beute. Sie hatten in ihrer Vorstellungswelt keine Notwendigkeit für persönlichen Besitz von

Pflanzen und Tieren. Für die Siedler aber, die mit wenigen Ausnahmen auf einer sehr niedrigen Bildungsstufe standen - stammten doch viele von Sträflingen ab - waren die Australier Diebe und Arbeitsunlustige, die sich durch ihre Lebensweise nicht

sehr vom Tier unterschieden. Entsprechend war die Reaktion der Siedler auf die scheinbaren Übergriffe der Australneger, die von den alten Jagdgebieten vertrieben worden waren: sie vernichteten sie, wo sie es für notwendig hielten. So wurden in

Tasmanien die Eingeborenen innerhalb von 50 Jahren ausgerottet.

Der 26.01.1788 (Landung von Capt. Philipp in der Botany Bay) wird bei den Eingeborenen als der "Day of Mourning" begangen, denn an diesem Tag begann ihr Leidensweg.

Dabei war der Anfang der schwarz-weißen Beziehungen durchaus verständnisvoll verlaufen. James Cook, der New South Wales den Namen gab und es als erste Region des australischen Kontinents für die britische Krone in Besitz nahm, schilderte die Ureinwohner 1770 in seinem Tagebuch voller Bewunderung als sanftmütige soziale Geschöpfe, die„ manchem als die erbärmlichsten Menschen auf Erden vorkommen mögen, in Wahrheit aber weitaus glücklicher sind als wir Europäer. Sie fühlen sich von der Natur mit allem versorgt und lehnen es hartnäckig ab, auch nur irgendeinen Gegenstand mit uns zu tauschen."

Unter den Auen des Mutterlandes, des ältesten Rechtsstaats der westlichen Welt, begann die Eroberung der britischen Kolonie Australien mit einer Neuauflage aller Verbrechen des Frühkolonialismus. Mitten in der Moderne, während die Französische Revolution die Menschenrechte proklamierte, wiederholten sich auf dem Fünften Kontinent der Völkermord der spanischen Konquistadoren an den Maya, die Sklaventreiberei der Araber unter den Schwarzafrikanern, der Landraub aller europäischen Kolonialmächte außerhalb Europas. Eines unterschied den überseeischen Holocaust der Alten Welt grundlegend von dem inländischen der weißen Australier. Denn die Aborigines hatten kein Gold, sie taugten nicht als Sklaven, und Land gibt es mehr, als die Weißen verkraften können. Die Australier schossen die Aborigines ab, weil sie mit ihnen nichts anderes anzufangen wussten; aus Langeweile, so, wie man sich mit der Jagd auf Känguruhs die Zeit vertreibt.

Ihr Verhältnis zu den Ureinwohnern war von so einer unglaublichen Ignoranz, von einer so grenzenlosen Gleichgültigkeit, dass sie sich nicht einmal die Mühe machten, einen Namen für sie zu finden. Der Homo australiensis war nichts als ein Ding, "ab origine", lateinisch für etwas, "das von Anfang an da war". (Siehe GEO Special).

Auf diese breitnasigen, dunkelhäutigen Menschen wurde zum "Sonntagsvergnügen" regelrecht Jagd gemacht. (Auch heute im Jahr 1987 passieren solche Grausamkeiten an den Indios im Amazonasgebiet!!!). "Shoting of Abos" nannte man dieses grausame "Spiel". Ausgekochte Schädel der Ureinwohner wurden als Souvenir nach England mitgenommen.

Zuerst wurden sie von den Küstenstreifen vertrieben, doch durch das Vordringen der Schafzüchter mussten sie immer weiter ins Landesinnere ausweichen. Was die Gewehre und Schwerter nicht vermochten wurde durch die zahlreichen ansteckenden Krankheiten und d. Alkohol vollendet. Zwischen den beiden Weltkriegen waren die Aborigines fast ausgerottet. Es stimmt auch nicht, dass sich die Eingeborenen nicht gegen die Weißen wehrten, aber sie hatten keine Chance.

Früher wurde in den Schulen das Schicksal der Aborigines totgeschwiegen bzw. es wurde ein falsches Bild vermittelt. Heute wird sehr viel darüber gesprochen und auch umfangreiche Forschung betrieben. Auch die Ureinwohner selbst wurden aktiv, und versuchen nun ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. 

1967 kam es zu einem Volksentscheid, nachdem die Ureinwohner mit besonderen Gesetzen zu schützen sind.

1976 = "Aboriginal Land Rights Act". Eingeborene haben Besitzansprüche auf brachliegendes Land, wenn es Siedlungsgebiet der Vorfahren war. Da es aber von den Weißen ungenutztes Land sein muss, kommen praktisch nur Wüsten in Frage. Wenn dann in diesen Gebieten größere Rohstofffunde gemacht werden, gelten, wie zahlreiche Beispiele zeigen, diese Gesetze meist nicht mehr, oder nur eingeschränkt.

So wurden in einem Reservat im Arnhemland riesige Bauxitlager entdeckt. Heute wird dieser Bodenschatz von einem großen internationalen Konzern abgebaut, obwohl sich die Aborigines dagegen wehrten und ihnen dieses Reservatsterritorium schon 1931 garantiert wurde. Diese Firma zahlt zwar den Aborigines Schadenersatz von ca. 3000 DM pro Kopf und Jahr, doch dieses Geld verschwindet meist direkt in den Alkoholgeschäften und Bars die von den Weißen betrieben werden (außerhalb des Reservates, da im Reservat strenges Alkoholverbot herrscht). "Früher haben sie uns abgeschossen wie die Känguruhs, heute ersäufen sie uns im Bier".

Die Lebensbedingungen der Ureinwohner gleichen auch heute noch denen eines Entwicklungslandes. Die Lebenserwartung ist um 20 Jahre geringer als bei den Weißen, die Kindersterblichkeit ist dreimal so hoch, sozialer Aufstieg ist kaum möglich, nur 2% besuchen ein Gymnasium. Es gibt nur ganz wenige die sich gesellschaftlich etablieren konnten wie etwa die ehemalige Wimbledonsiegerin Evonne Goolagong.

Während über das Leben in den Stämmen schon sehr viel geforscht und beschrieben wurde, gibt es über das Leben der Ureinwohner in den Städten kaum Berichte.

Ihre Gleichberechtigung ist - obwohl gesetzlich verankert - bei weitem noch nicht erreicht. So müssen sie viele Nachteile im täglichen Leben in Kauf nehmen. Z.B. bei der Wohnungs- oder Jobsuche. 

Gegen Aborigines gerichtetes Schild

an einer Bar im Nordterritorium                                                                   

Es gibt auch viele Lokale die von den Aborigines nicht betreten werden dürfen. Damit man aber doch ein Geschäft mit ihnen machen kann (ihr Geld wird nämlich sehr wohl akzeptiert), werden sie über Hintertüren bedient. Äußerlich sind solche Lokale durch Schilder wie: "only decently dressed people welcome" oder "no shoes no shirt no service" gekennzeichnet.

Die südafrikanischen Rassentrennungsgesetze haben ihren Ursprung in den australischen Apartheidgesetzen der Jahrhundertwende. Ähnlich wie in der USA tritt im Norden in letzter Zeit auch eine Art Ku Klux Klan auf. Gerade in N-Australien ist der Rassismus noch sehr stark durch alle Bevölkerungsschichten verfolgbar. So gibt es im N-Territorium immer noch ein Schutzhaftgesetz, nach dem jeder Eingeborene willkürlich verhaftet werden kann.

Queenland ist der einzige Bundesstaat in dem die Aborigines noch keine Landrechte besitzen bzw. auch keine vorgesehen sind. Statt dessen plant die von Farmern beherrschte Regierung in Brisbane, die noch vorhandenen Reservate mit Pachtverträgen auf Zeit zu versehen, damit sie ganz verschwinden.

In S-Australien wurde im Jahr 1981 ein Gebiet von 102.000 km2 (Österreich 84.000 km2 ) den Aborigines übergeben. (Die größten Farmen in Australien haben im Vergleich dazu eine Fläche von ca. 5.000 km2 ). Ein absolutes Veto der Ureinwohner gegen den Bergbau ist aber nicht vorgesehen!!!

Die meisten Ureinwohner leben heute im Bereich ehemaliger (oder noch bestehender) Missionsstationen oder sie vegetieren an einem Stadtrand in Wellblechhütten. Sehr viele wohnen aber auch schon in selbständig geführten Reservaten. Die in den Parks und ausgetrockneten Flussbetten herumlungernden Aborigines sind natürlich sehr auffällig (für den Touristen). Meistens leben sie von der Sozialfürsorge oder der Arbeitslosenunterstützung. Ein Ehepaar mit zwei Kindern kriegt alle zwei Wochen von der öffentlichen Wohlfahrt Lebensmittelscheine im Wert von ca. 675 Mark. Es ist der gleiche Betrag, der auch einem weißen Australier mit vierköpfiger Familie zusteht. Wenn er arbeitslos ist. Ein schwarzer Australier hingegen muss, sofern er als Insasse eines Reservats gilt, den Beweis der Erwerbslosigkeit erst gar nicht führen. Er ist im Zweifel immer ohne Beschäftigung.

Diese Almosen der australischen Regierung - die damit wohl frühere Verbrechen wiedergutmachen will - haben für die Ureinwohner zum Teil aber fatale Folgen. Ohne sinnvolle Betätigung verfallen diese entwurzelten Menschen immer mehr dem Alkohol.

Das "Petrol sniffing" nimmt - wie bei arbeitslosen amerikanischen Jugendlichen - in den ärmeren Schichten und bei der Jugend immer stärker zu. Benzin schnüffeln ist seit einigen Jahren als schnellwirkendes Rauschmittel von jenen Aborigines entdeckt worden, die kein Geld für Bier oder sich schluckunfähig getrunken haben. Unter den Kindern und Jugendlichen ist es besonders beliebt. Mit dieser Droge werden sie aber nie erwachsen, denn nach etwa zwei Jahren stetigen Schnüffelns löst sich der Verstand auf.

Auch die vielen Versuche von Missionaren müssen als gescheitert betrachtet werden, weil sie meist nur Anpassung und Abhängigkeit gebracht haben. Der Selbsterhaltungstrieb ist durch die regelmäßige Hilfe sehr oft erloschen.

Die Missionsstation Hermannsburg z. B. wurde vor 100 Jahren von Lutheranern gegründet und erhielt 1982 die Selbstverwaltung. Die Missionare boten den Ureinwohnern zwar Schutz, sie konnten aber ihre Ermordung durch die Viehzüchter und Polizisten nicht verhindern. Die Kultur der Arandas wurde großteils zerstört. So werden sie noch immer von den Missionaren verpflegt.

Für uns Mitteleuropäer wirkt die Lebensweise dieser Menschen sehr armselig und heruntergekommen. Möglicherweise betrachten wir aber die vor den Häusern auf der Erde sitzenden Menschen zu sehr mit unseren Augen. Denn die enge Bindung zur Erde entspricht ihrer 40 000 jährigen Geschichte. Wirklich trostlos wird das Bild ja erst durch die - von den Missionaren errichtetenverwahrlosten Häuser. Der Aborigine hat aber nie in einem Haus gewohnt. Dass der Alkohol für diese entwurzelten Menschen eine große Gefahr ist, zeigt das unter strenger Strafe stehende völlige Alkoholverbot in dieser Region.

In Alice Springs lebten die Aborigines bis 1888 ungestört. Erst durch den Bau der Telegraphenstation kamen sie mit den Weißen in Berührung. Heute stellen sie 25% der Bevölkerung von Alice Springs. Sie werden aber immer noch diskriminiert. So durften sie bis 1960 nicht in der Stadt wohnen (vergleiche Townships in Südafrika), wenn überhaupt bekommen sie nur unterbezahlte Arbeit und auch der Zutritt zu den meisten Bars und Restaurants wird ihnen verwehrt. 1983 trat das "Two-Mile-Law" in Kraft, das der Polizei das Recht gibt, jeden Eingeborenen aus dem Todd-River-Bett zu vertreiben (der Todd river ist der heilige Fluss für diese Aborigines).

1959 entdeckte man - und dies war eine echte Sensation in Zentralaustralien, in der Nähe des Amadeus Salzsees, eine Splittergruppe von etwa 200 Menschen, die zum Pintubistamm gehörten. Dies waren die letzten Uraustralier, die noch nie einen weißen Mann gesehen hatten, die noch ihr altes Nomadenleben führten, die noch als lebende "Fossilien" die Steinzeitvergangenheit des Menschen dokumentierten. Inzwischen sind auch sie "zivilisiert", der Alkohol findet willige Opfer unter ihnen, sie hausen in kümmerlichen Barackensiedlungen - kurz: Der Weg ins Atomzeitalter hat sich für sie aufgetan, zu schnell aufgetan!

Walter Haslinger