von Walter Haslinger |
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Es gibt wohl kaum ein Volk der Erde das nicht irgendwann in seiner
Entwicklung Schlag- oder Wurfwaffen in Stock- oder Keulenform, benützt
hat. Auch Bumerangs - zumindest bumerangähnliche Waffen - wurden schon vor
Jahrtausenden, in vielen Gebieten verwendet.
Wir kennen Funde aus Jütland (vor 4.500 Jahren), Holland ( z. 2.300 Jahre), Afrika (Nilgebiet), Abessinien, Asien (Indien, Mesopotamien vor ca. 3.000 Jahren) und Amerika (älteste Funde 10.000 Jahre - hauptsächlich aus Kalifornien). Der Bumerang ist in der australischen Bevölkerung aber bei weitem nicht so verbreitet (außer bei den Aborigines) wie man als Tourist vielleicht vermuten würden. Außerdem wird die Rückkehreigenschaft fälschlicherweise häufig als die wesentliche Eigenschaft des Bumerangs angesehen. Sie findet sich aber nur bei etwa fünf Prozent aller von den Aborigines traditionell hergestellten Bumerangs. Aufgrund von Besonderheiten der Form, Größe und Oberflächengestaltung kann man elf verschiedene Bumerangtypen unterscheiden. Diese Typen stellen lokale Entwicklungsformen dar und lassen in den meisten Fällen aufgrund bestimmter Merkmale Rückschlüsse auf die Gegend ihren Ursprungs zu. Wie fast alle Gegenstände der materiellen Kultur der Aborigines sind - oder waren - auch die Bumerangs der meisten Typen beliebte Handelsobjekte, die sich entlang uralter Handelsrouten über große Teile des Kontinents ausbreiteten. Im allgemeinen ist der Bumerang ein Vielzweckgerät, doch werden bestimmte Typen zu besonderen Tätigkeiten bevorzugt verwendet. Die in der Literatur häufig zitierten Rückkehrbumerangs wurden von den Aborigines zum überwiegenden Teil als Spiel- und Sportgerät und nur gelegentlich als Jagdwaffe verwendet. Bei Stämmen, in deren traditioneller Stammeskultur der Bumerang ein altes bzw. ursprüngliches Element darstellt, kommt ihm auch eine bedeutende Rolle in Mythologie und Kult zu und er ist im wesentlichen sakrales Gerät. Es erhebt sich immer wieder die Frage, ob der Bumerang eine australische Erfindung ist. Das weltweite Vorkommen des Bumerangs beweist, dass er keine ausgesprochen australische Besonderheit ist, obwohl er hier seine größte Spezialisierung erfahren und die vielseitige Verwendung gefunden hat. Kultureinflüsse aufgrund von Völkerwanderungen, weitgespannte Handelsbeziehungen und Kriegszüge mögen zu einer weiten, ja sogar interkontinentalen Verbreitung des Bumerangs geführt haben. Andererseits lässt die Verwendung des Bumerangs in Gebieten, zwischen denen Kulturkontakte wie die oben erwähnten auszuschließen sind, die Vermutung zu, dass er an verschiedenen Orten und unabhängig voneinander erfunden worden ist. Die ersten vor 40.000 oder mehr Jahren in Australien einwandernden Menschen kannten und verwendeten den Bumerang noch nicht. Er fehlte auf Tasmanien, das sich vom Festland abtrennte, ehe sich der Bumerang bis an die Südspitze Australiens ausbreiten konnte. Vor 12.000 bis 10.000 Jahren wurde der Bumerang von Einwanderern mitgebracht, die Australien über die damals noch bestehende Landbrücke bzw. deren Reste erreichten. Ob sie den Bumerang tatsächlich oder nur der Idee nach mitbrachten, steht nicht fest. Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass zumindest in Arnhem Land der Bumerang sehr bald aktiviert und zur Hauptwaffe wurde. Mit einer der letzten Einwanderungswellen erreichten Menschen den Norden Australiens, die die Speerschleuder mitbrachten. Sie dürften den Bumerangleuten überlegen gewesen sein und diese nach Süden abgedrängt haben. Der Bumerang, ein handliches und vielseitig verwendbares Gerät, erwies sich in der baumarmen offenen Landschaft Australiens als eine hervorragende Waffe. Im Verlauf der Jahrtausende erfuhr er hier eine Spezialisierung wie sonst nirgendwo auf der Erde. Bei den rezenten Stämmen Australiens spielt der Bumerang heute als Waffe und Werkzeug kaum noch eine Rolle. Er kommt zwar bei manchen Stämmen im Zuge des allgemeinen Trends zur Wiederbelebung der alten Traditionen als Rhythmus- und Kultgerät wieder zu Ehren, hat darüber hinaus aber nur als Souvenirartikel einige Bedeutung. Besonders gefragt sind die von den Aborigines händisch erzeugten Rückkehrbumerangs. Um die Nachfrage zu befriedigen, stellt der "Aboriginal Art Board" jenen Stämmen, die traditionell andere Typen oder gar keine Bumerangs anfertigen, Modelle als Vorlage zur Verfügung, die von den Aborigines mit modernen Werkzeugen nachgemacht werden. Heute hat der fabrikmäßig und häufig aus Kunststoff gefertigte Industriebumerang als Sportartikel die ganze Welt erobert und es scheint, als ob Bumerangwerfen sogar zu einer sportlichen Disziplin auf internationaler Ebene werden könnte. Die Bumerangs werden aus Hartholz gefertigt. Nur Übungsbumerangs für nicht initiierte Knaben werden aus Weichholz oder aus der Rinde des Eukalyptus geschnitzt. Für viele Aborigines ist die Herstellung eines Bumerangs mehr als bloße Handfertigkeit. Bei allen Stämmen, die mit dem Bumerang mythologische Vorstellungen verbinden, ist dessen Anfertigung ritualisiert. Dem religiösen Weltbild dieser Stämme entsprechend wurde der Bumerang in der Urzeit ("dreamtime") von Kulturheroen geschaffen und mit deren Geist beseelt. Nach ihrem Abtreten, das gleicherweise das Ende der Schöpfungsperiode wie auch den Beginn menschlichen Lebens auf der Erde kennzeichnet, blieben ihre Schöpfungsprodukte der Idee nach zurück. Nur vollinitiierte Männer, die über das entsprechende Wissen verfügen, sind imstande, diese Idee wieder zu realisieren. Nach dem Glauben der Aborigines ist dies aber nur dann möglich, wenn die dafür vorgeschriebenen Rituale streng eingehalten werden. Für die Aborigines lebt im Bumerangbaum die Kraft der Schöpferwesen der Urzeit weiter. Sie manifestiert sich in dem Bumerang, der in seinen Ästen, dem Stamm oder der Wurzel bereits vorhanden ist. Ein vollinitiierter Mann vermag ihn darin zu erkennen und herauszulösen, ohne den Baum zu zerstören. Der in einem Baumast bereits Hakenbumerang in einem "fertig vorhandene" Bumerang Stammwurzelstück eines vom zentralaustralischen Typus. Bumerangbaumes. Da auch von den Aborigines die Bumerangs heutzutage hauptsächlich nur mehr für die Touristen hergestellt werden, gelten diese strengen Regeln und Rituale in den meisten Fällen nicht mehr bzw. werden sie nicht eingehalten. Die Anfertigung eines Bumerangs dauert ca. 15 bis 20 Arbeitsstunden. Besondere Sorgfalt wird bei der Herstellung eines Rückkehrbumerangs der Anbringung des Dralls gewidmet. Um zu vermeiden, dass das Werkstück bei Verdrehung der Schenkel bricht, wird das Holz vorher über einem kleinen Feuer erwärmt und dadurch geschmeidig gemacht. Die Qualität des Rückkehrfluges wird durch Querschnitt, Symmetrie, Winkelgröße und Drall des Bumerangs beeinflusst. Wie alle nichtsesshaften Völker waren auch die australischen Aborigines gezwungen, ihren materiellen Besitz auf das Notwendigste zu beschränken. Dieser Umstand brachte es mit sich, dass ihre Waffen und Geräte - und somit auch der Bumerang - möglichst vielseitig verwendbar sein mussten. Allerdings wird nicht jeder Bumerangtypus gleicherweise benützt, sondern entsprechend der jeweiligen Form und besonderen Eigenschaften für bestimmte Zwecke bevorzugt ver- wendet. Ganz wesentlich werden die Verwendungsmöglichkeiten vom Vorhandensein oder Fehlen der Rückflugeigenschaft beeinflusst. Der Rückkehrbumerang wurde primär als Spiel- und Sportgerät verwendet, wobei es die verschiedensten Regeln gab, z. B. möglichst viele Kreise ziehen, einen Pflock treffen, in einem Kreis landen, auffangen, zwei Bumerangs parallel werfen oder möglichst viele auf einmal fliegen lassen usw. Die Jagd mit dem Rückkehrbumerang beschränkt sich hauptsächlich auf Schwarmvögel wie Kakadus, Wasservögel und dergleichen. Eine Entenjagd mit Hilfe von Rückkehrbumerangs geht folgendermaßen vor sich: Die Jäger teilen sich in zwei Gruppen. Wenn nun die Vögel auf einem Wasserlauf gesichtet werden, legt sich eine Gruppe der Jäger in den Hinterhalt, während die andere sich dem Wild nähert. Sobald sich die Männer auf Wurfweite herangepirscht haben, schleudern sie ihre Bumerangs und treiben so die Enten den wartenden Jägern zu, wo sie mit größeren Jagdbumerangs abgeschossen werden. Der nicht zurückkehrende Bumerang wurde als Vielzweckgerät für die unterschiedlichsten Verrichtungen herangezogen, hauptsächlich zur Jagd auf Vögel und zum Töten kleiner Tiere. Größeres Wild, wie Känguruhs Wallabies, Emus usw. wurde in der Regel mit dem Speer erlegt. Neben der Verwendung als Rhythmus- und Signalinstrument wurde der Bumerang auch in Magie und Kult verwendet. Er war auch ein beliebtes Tausch- und Handelsobjekt. Der nicht zurückkehrende Bumerang hatte auch eire große Bedeutung als Kampfwaffe wo er als Nah- und Fernwaffe gleichermaßen erfolgreich anwendbar ist. Eine äußerst gefürchtete Kampfwaffe war der Hakenbumerang. Er wurde daher auch "Killerbumerang" bzw. "peace maker" genannt, weil die Drohung damit meist schon genügte, um einen Streit zu beenden. Man wirft einen Bumerang am besten bei vollkommener Windstille. Bei einer leichten Brise ist es am günstigsten, den Bumerang in einem Winkel von 45° gegen den Wind zu werfen. Die ebene Fläche des Bumerangs muss nach außen gerichtet sein. Werfen des Rückkehrbumerangs Neigung des Bumerangs zur bei schwachem Wind Horizontalen beim Abwurf
1984 fing der Amerikaner Peter Ruhf einen Wurf erst nach 95 Sekunden wieder auf. Dieser Amerikaner stellte auch einen weiteren Rekord auf: sein Bumerang kehrte erst nach 114 m wieder um. Ein Australier namens Donellan brillierte in Varietés mit einem Wilhelm-Tell-Wurf: sein zurückkehrender Bumerang schlug ihm einen Apfel vom Kopf (siehe auch "Pinzgauer Tell-Wurf" im Anhang). ![]()
Letzte Meldung: Die VOEST steigt mit einer bahnbrechenden Neuentwicklung in den Bumerang-Export ein: (Anm.: wer´s glaubt.) |
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